Die „Rosa Wiesn“ (auch „Pink Oktoberfest“) ist ein Sammelbegriff für eine Reihe von queeren Events während des Münchner Oktoberfests. Sie existiert seit über 40 Jahren und ist heute ein international bekanntes Highlight für die LGBTIQ*-Community. Das Herzstück ist der legendäre „Gay Sunday“ im Bräurosl-Festzelt, aber das Programm umfasst mittlerweile viele weitere Veranstaltungen und Treffpunkte.
Geschichte und Ursprung: Von der Subkultur zum pinken Mainstream
Die Wurzeln der Rosa Wiesn reichen zurück in die 1970er Jahre – eine Zeit, in der
Homosexualität in Deutschland noch mit gesellschaftlicher Ächtung und rechtlicher Unsicherheit verbunden war. Mutige Mitglieder der schwulen Szene, insbesondere des 1974 gegründeten Münchner Löwen Clubs (MLC), begannen, sich während des Oktoberfests im Bräurosl-Festzelt zu treffen. Diese Treffen waren zunächst diskret und von Vorsicht geprägt, denn offene queere Sichtbarkeit war damals keineswegs selbstverständlich.
Ein entscheidender Meilenstein war das Jahr 1977: Der MLC reservierte erstmals offiziell einen Balkon im Bräurosl-Zelt für seine Mitglieder und Freunde. Aus einer kuriosen Verwechslung – der Wirt hielt den „Münchner Löwen Club“ für einen Fanclub des TSV 1860 München – entstand eine bis heute andauernde, respektvolle Partnerschaft zwischen Club und Festzelt.
Der „Gay Sunday“ war geboren und entwickelte sich rasch zum Herzstück der Rosa Wiesn. In den folgenden Jahrzehnten wuchs die Veranstaltung stetig. Was als kleine Zusammenkunft begann, wurde zu einem der größten queeren Events Europas. Die Rosa Wiesn überstand auch schwierige Zeiten, etwa
die AIDS-Krise der 1980er Jahre, in der der MLC eine wichtige Rolle in der Selbsthilfe und Aufklärung spielte. Heute ist die Rosa Wiesn ein fester Bestandteil des offiziellen Oktoberfest-Programms des tradtionellen
Wiesn und ein Symbol für gesellschaftlichen Fortschritt.
Längst unterfüttert das Pink Oktoberfest den Ruf Münchens als LGBTQ+-freundliche Stadt. Das lässt aufmerken, gerade im traditionell konservativ geprägten Bayern.
Wo finden die queeren Events statt?
Tatsächlich ist auch die Rosa Wiesn nicht nur dabei, sondern mittendrin im turbulenten Treiben: Alle queeren Oktoberfest-Events finden auf dem offiziellen Festgelände (Theresienwiese) in bekannten Festzelten und Locations statt, darunter das Bräurosl-Festzelt, Käfer-Zelt, Fischer-Vroni, Wildstuben und Schottenhamel.
Welche Programmpunkte gibt es?
- Rosa Wiesn-Anstich (Käfer-Zelt Biergarten – inoffizieller queerer Auftakt mit Wiesn-Pin und Regenbogen-Atmosphäre)
- Gay Sunday (Rosa Wiesn Sonntag) (Bräurosl-Festzelt – das größte LGBTIQ*-Event der Wiesn, Live-Musik, legendäre Stimmung, Balkon-Tickets sehr begehrt)
- RoslMontag (Bräurosl-Festzelt – lockeres Nachtreffen, entspannteres Feiern im Biergarten oder unter dem Balkon)
- Subavaria (Kuffler’s Weinzelt – queeres Netzwerkevent, reservierte Plätze für das Sub, Spenden willkommen)
- Queer Kegeln (historische Kegelbahn, Oide Wiesn - bayerische Tradition trifft Drag, DJ und Schwuhplattler)
- Proud Wiesn (Armbrustschützenzelt - Firmen- und Netzwerkevent, Reservierung erforderlich)
- Prosecco Wiesn (Fischer-Vroni - Glamouröse Prosecco-Party, beliebter Treffpunkt der Community
- Rosa Wiesn Wildstuben (Wildstuben - Neues Dinner-Event mit 3-Gänge-Menü, Tickets erforderlich
- Schwuler Wiesn-Ausklang (Schottenhamel-Festzelt – queerer Abschluss, gemeinsames Ausklingen mit bayerischen Schmankerln)
Entgegen mancher Vorurteile handelt es sich allerdings in keinem Fall um Swinger-Events. Zwar wird hier, genau wie überall auf der Wiesn, gerne hemmungslos geflirtet, gefummelt und geknutscht – doch für die heiße Nummer mit dem Partner (oder dem bis dato Unbekannten) muss man sich an einen diskreteren Ort zurückziehen.
Von wegen Randgruppe: Das pinke Oktoberfest ist fest auf der Theresienwiese verankert
Die Rosa Wiesn ist für die
LGBTQ+-Community weit mehr als nur eine Party, sondern nicht weniger wichtig als der
CSD. Sie bietet einen geschützten Raum, in dem queere Menschen ihre Identität offen und selbstbewusst leben können – mitten im Herzen eines der größten Volksfeste der Welt.
Die Atmosphäre ist geprägt von Toleranz, Lebensfreude und gegenseitigem Respekt. Hier feiern Menschen aller Geschlechter und Orientierungen gemeinsam, tragen Tracht, singen bayerische Lieder und zeigen, dass queere Lebensentwürfe und bayerische Traditionen wunderbar zusammenpassen.
Genaue Angaben, wie viele Menschen zur Rosa Wiesn anreisen, gibt es leider nicht – in allen Publikationen ist allerdings von „tausenden Menschen“ die Rede. Und nicht nur das Oktoberfest selbst hat internationale Bedeutung, auch die internationale Strahlkraft der Rosa Wiesn ist enorm: Jedes Jahr reisen Gäste aus
- Europa,
- Nordamerika,
- Australien
- und anderen Teilen der Welt
nach München, um Teil dieses einzigartigen Events zu sein. Die Rosa Wiesn gilt als Vorbild für ähnliche queere Veranstaltungen in anderen Städten und fördert die Vernetzung der Community über Ländergrenzen hinweg. Dass die befreundete
Wiener Wiesn heuer nicht stattfinden kann, betrachtet man in München natürlich mit großem Bedauern.
Immerhin bleibt die Rosa Wiesn ein politisches Statement, weit über die Münchner Stadtgrenzen hinaus: Sie macht auf bestehende Herausforderungen wie Diskriminierung aufmerksam und setzt ein Zeichen für Akzeptanz und Vielfalt.
In diesem Sinne: Auf eine friedliche Rosa Wiesn!
Die Rosa Wiesn ist heute ein Symbol für Sichtbarkeit, Akzeptanz und Gemeinschaft der
queeren Community – in München, Deutschland und weltweit. Sie trägt maßgeblich zur gesellschaftlichen Integration queerer Menschen bei und ist selbstverständlich ein fester Bestandteil des Oktoberfests. Mit ihrer einzigartigen Mischung aus Tradition, Lebensfreude und Offenheit bleibt sie ein Vorbild für ähnliche Veranstaltungen und ein Impulsgeber für gelebte Vielfalt und gegenseitigen Respekt.
Übrigens …
Wenngleich die Themen
Burlesque und Drag noch einmal ein wenig anders gelagert sind, gibt es durchaus einige Schnittmengen. Und so lohnt es sich vielleicht ja auch, einmal das eine oder andere
europäische Drag- und Burlesque-Event zu besuchen. Zur Frage, was sich dort alles finden und sehen lässt, haben wir nämlich auch schon einen entsprechenden Artikel vorbereitet. In diesem Sinne: Man sieht sich!