Der Name ist Programm. Beim Tunnelspiel handelt es sich um den Bestandteil einer BDSM-Session – und um eine Aktion, die sich nach ihrem Beginn nicht mehr unter- oder abbrechen lässt. So betrachtet lässt sich die auch als „Tunnel Play“ oder „Tunnelling Game“ bekannte Aktivität als eine Form des Rollenspiels verstehen, bei dem bewusst mit der Grenze der Einvernehmlichkeit oder sogar deren Überschreitung gearbeitet wird.
Was sind Tunnelspiele?
Im Fokus des Tunnelling Games steht die Tatsache, dass es sich um eine für den passiven Part (Bottom) ausweglose Situation und Aktion handelt. Dementsprechend lässt sich ein Tunnelspiel nicht mithilfe eines Safewords wie Mayday durch den Bottom beenden. Vielmehr muss es dieser im wahrsten Sinne des Wortes durchleben. Erlaubt der passive Part dem aktiven (Top) also, die Grenzen vollkommen allein zu definieren, wird eines deutlich: Der Top muss sich nicht mehr im SSC-Rahmen – Stichwort Einvernehmlichkeit – bewegen. Vielmehr kann er das Tunnel Play nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten.
Dabei ist es beim Tunnelspiel besonders beliebt, dass bestimmte Körperbereiche unzulänglich gesichert, betäubt oder Schmerzen ausgesetzt werden. In diesem Zuge kommen zuweilen auch verschiedene Hilfsmittel zum Einsatz.
Wie kann ein Tunnelspiel aussehen?
Tunnelling Games präsentieren sich in den verschiedensten Formen. Zu den Bekanntesten und Beliebtesten zählen
- der Keuschhaltungstunnel. Hierbei legt der aktive Part dem passiven einen Keuschheitsgürtel an und friert den dazugehörigen Schlüssel ein, bewahrt in einem mit einem Zeitschloss gesicherten Gefäß oder anderweitig so auf, dass dieser nicht vor Ablauf einer bestimmten Zeit entnommen werden kann.
- die lokale Betäubung bestimmter Körperpartien. Das gelingt etwa dadurch, dass der aktive Part eine entsprechende Salbe auf den Penis des passiven Gegenübers aufträgt.
- das Figging. Hierbei führt der aktive Part Ingwer in den Anus der passiven Person ein. Die ätherischen Öle im Ingwer reagieren mit den Schleimhäuten, was ein mehr oder weniger intensives Brennen auslöst.
- das Befestigen von Brennnesseln am Körper. Für diese Form des Tunnelspiels wickelt der Top bestimmte Körperpartien des Bottoms in Frischhaltefolie, nachdem er diese Partien mit Brennnesseln belegt hat. Zwar lässt sich die Folie leicht entfernen; das Brennen beziehungsweise der Juckreiz müssen aber von selbst nachlassen.
Überdies existieren noch deutlich mehr Ideen fürs Tunnelspiel. Dazu gehören das nackte Aussetzen im Wald, das Einführen von Eiswürfeln oder das Selbst-an-die-Heizung-Fesseln-und-Schlüssel-plus-Smartphone-Wegwerfen durch den Bottom. Alternativ kann man auch an Intox Tunnel Plays denken, bei denen es zum Einsatz von Medikamenten (Stichwort Abführmittel), Alkohol beziehungsweise Drogen kommt. Spiele dieser Art empfehlen sich aufgrund der damit verbundenen, oftmals nicht vollständig überschaubaren Sicherheitsrisiken jedoch nur in eingeschränktem Maße.
Wer spielt Tunnelling Games und was ist ihr Reiz?
Das Tunnelspiel klingt zwar für viele Menschen mit BDSM-Bezug reizvoll, die tatsächliche Umsetzung im größeren Stil dürfte jedoch nicht allzu häufig sein. Das hat mehrere Gründe.
- Zum einen muss man es lieben, sich komplett auszuliefern und die Ausweglosigkeit der Situation zu ertragen.
- Das dafür benötigte Vertrauen muss sozusagen grenzenlos sein. Immerhin hat der Bottom keinerlei Chance, in die Handlung und deren Fortgang einzugreifen. Und selbst der Top kann unter Umständen (Stichwort Safe mit Zeitschloss) nichts bis wenig tun. Es handelt sich also definitiv um ein Spiel mit der Grenzüberschreitung und oftmals um genau eine ebensolche.
Dafür kann es sehr erregend sein, beim Tunnelspiel die eigene Hilf- und Machtlosigkeit (oder die des Gegenübers) zu spüren und diese besondere Mischung aus Schmerz und Auf- wie Erregung zu erleben und zu beobachten.
Welche Verbindungen bestehen zu SSC und TPE?
Das Tunnelspiel zählt zu den am kontroversesten diskutierten Bestandteilen einer BDSM-Session. Das liegt daran, dass sie sich an der Grenze zum CNC (consensual non-consent), also der einvernehmlichen Nichteinvernehmlichkeit bewegen oder diese sogar überschreiten. Was also eindeutig im Gegensatz zu SSC (safe, sane and consentual – sicher, verantwortungsvoll und einvernehmlich) steht – zumindest im Hinblick auf die Einvernehmlichkeit.
So betrachtet hat das Ganze eher etwas von TPE (Total Power Exchange, „totale Machtübergabe“). Diese kann sich nur auf den erotischen Kontext beziehen. Häufig gehören jedoch noch weitere Bereiche wie
- die sozialen Beziehungen,
- die Finanzen
- oder die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit
in dem Bereich, den der Top kontrolliert.
Worauf ist beim Tunnelspiel zu achten?
Ganz ohne Einvernehmlichkeit geht nichts, denn diese muss zumindest im Vorfeld zwingend vorhanden sein. Außerdem setzt ein Tunnelspiel absolutes Vertrauen voraus, weshalb man sein Gegenüber (sei es aktiv, sei es passiv) unbedingt genauer kennen sollte.
Genaue Kenntnisse sind auch im medizinischen und psychologischen Bereich vonnöten. Schließlich sind
- ausreichend Zeit für die Aufklärung des passiven Parts bezüglich dessen, was passieren wird,
- das Wissen um Nebenwirkungen und Intensitäten der angewandten Mittel sowie
- Unterstützung in und nach dem Spiel (in Form von Essen und Trinken, Salben zur Hautpflege, Decken und das gemeinsame Herunterkommen im Rahmen der „Aftercare“)
von großer Bedeutung für die Sicherheit während des Spiels. Apropos Sicherheit: Wenngleich Tunnel Games von Natur aus risikoreicher sind, gilt es für den aktiven Part dennoch, bewusst mit Risiken umzugehen. Das bedeutet unter anderem, dass niemand Fixiertes über einen längeren Zeitraum allein bleiben darf. Nicht einmal dann, wenn sie*er wirklich darum bettelt. Insofern sollte man lieber einmal mehr als zu wenig ablehnen, wenn nach einem Tunnelspiel gefragt wird. Und selbst wenn ein gewisser Reiz und vielleicht sogar eine bestimmte Vorerfahrung vorhanden sein sollten, sollte man immer mit nicht ganz so herausfordernden Spielen starten.