Ein Mann, ein Grill: Was steckt hinter der männlichen Lust am Zubereiten von Fleisch im Feuer? Und warum schnappen sich die meisten Frauen das Grillwerkzeug nicht selbst, sondern schnippeln mehrheitlich lieber Salat, bevor sie einen Joghurtdip für die gesunden Beilagen-Gemüsesticks anrühren? Wir betrachten die kulturellen und psychologischen Hintergründe.
Sidekick Oktoberfest: Wo Männlichkeit und Fleischlust explodieren
Bevor wir uns dem heimischen Grill widmen, lohnt ein Abstecher nach München. Denn wer die tief verwurzelte Verbindung zwischen Fleischkonsum und Maskulinität in unserer Kultur begreifen will, bekommt auf der Wiesn einen besonders umfassenden Eindruck dazu. Die
Wiesn ist eben nicht nur das Mekka der Biertrinker (und -Trinkerinnen), sondern auch das Woodstock für Fleischfans – mit jährlich
- über 400.000 verschlungenen Brathendln,
- 78.000 Schweinshaxen
- und rund 177 ganzen Ochsen,
die in eine Vielzahl an deftigen Speisen verwandelt werden.
Diese Zahlen stammen aus der Vergangenheit: Seit 2023 halten sich die Veranstalter aus Image- und Tierschutzgründen darüber bedeckt, wie viel Fleisch auf der Wiesn konsumiert wird. Man kann aber davon ausgehen, dass sie tendenziell sogar noch gestiegen sind.
Bei 6,7 Millionen Besuchern in 2024 kommt definitiv ordentlich was zusammen. Die demografischen Daten sprechen Bände: Die fleischhungrigsten Oktoberfest-Gäste sind überwiegend männlich, zwischen 30 und 59 Jahren alt und stammen neben Deutschland aus fleischaffinen Nationen wie
- den USA,
- Italien
- oder der Schweiz.
Und das, obwohl die
Fleischpreise auf dem Oktoberfest analog zum Bier saftiger sind als an jeder Autobahnraststätte: Das halbe Hendl für bis zu 24,50 Euro oder die Schweinshaxe für knapp 28 Euro – Preise, die hier offenbar kaum jemandem den Appetit verderben.
Doch was macht das Oktoberfest zum perfekten Fleisch-Paradies? Es handelt sich schlicht um die ultimative Bühne für archaische Männlichkeitsinszenierungen: Hier darf Mann noch ungeniert ins fettige Fleisch beißen,
literweise Bier kippen und sich null Gedanken um Cholesterinwerte machen.
Ein Ort, wo Mann sich wie ein echter Jäger und Sammler fühlen darf – auch wenn die Beute schon fertig gegrillt serviert wird. Und genau diese Urinstinkte sind es auch, die Männer zuhause an den Grill treiben.
Was reizt Männer so sehr am Grillen?
Der Mann grillt gern – und das am liebsten unter seiner eigenen Führung, wie eine
Lidl-Umfrage 2012 unter gut 1.600 Grillern im Jahr 2012 gezeigt hat. Immerhin 80 % der Befragten gaben dabei an, sich die Grillzange nicht gern abnehmen zu lassen; 13 % wollten dabei sogar vollkommen ihre Ruhe haben.
Und siehe da, die Frauen schienen das zu verstehen und die Männer durchaus freiwillig deren selbstgewähltem Schicksal zu überlassen. Denn rund 2⁄3 von ihnen widmeten sich laut eigener Aussage lieber der Beilagen-Zubereitung, als selbst die Grillmeisterin zu geben.
Zahlen, die überraschen könnten. Doch in Bezug auf die Männer ist sich d
er Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Gunther Hirschfelder von der Universität Regensburg relativ sicher, warum sie sich so fürs Grillen begeistern: Hier könnten sie sich noch beweisen, ihre Entertainer-, Ernährer- und Feuerwehrmann-Qualitäten unter Beweis stellen … und nebenher noch so viel essen, wie sie möchten, ohne komplett auf beste Manieren achten zu müssen.
Will also heißen, dass sich der Mann hier noch tatsächlich ein wenig in seiner Rolle als Jäger und Beschützer sehen und sich dabei selbst gefallen dürfe.
Ist der Appetit auf Fleisch eigentlich eine rein männliche Domäne?
Fleisch für Männer und für Frauen Gemüse – ist da wirklich etwas dran? Offenbar zumindest in weiten Teilen, wenn man einer
Umfrage aus 23 Ländern mit 20.000 Teilnehmern (von 2024) Glauben schenkt. Denn diese hat gezeigt, dass dem Fleischkonsum des deutschen Mannes nur der von Argentiniern, Polen sowie Briten nahekommt.
Frauen dagegen scheinen bewusst vegetarischer zu essen. Das tun sie
laut Chris Hopwood, einem Psychologen an der Universität Zürich, sogar verstärkt, wenn beide Geschlechter in Ländern leben würden, in denen das wirtschaftliche Entwicklungsniveau und die Gleichstellung der Geschlechter stärker ausgeprägt seien.
Allerdings ist das in ärmeren Ländern anders. Dort isst man generell weniger Fleisch, sodass auch die Fleischportionen für Männer kleiner ausfallen. Bei einem ansteigenden Lebensstandard greifen die Männer dann verstärkt zu – die Frauen offenbar nicht.
Warum jedoch Männer eine Vorliebe fürs Fleischfuttern haben, haben die Forscherinnen und Forscher, die die Umfrage erstellt haben, leider nicht abgefragt. Ihre These ist aber, dass Männer Fleisch mit Potenz in Verbindung bringen würden, weshalb es mit manchen Kulturen möglicherweise weniger sexy sein könnte, wenn man(n) in das Salatblatt statt ins Steak beißen würde …
Also ist Fleisch jetzt doch wirklich besonders maskulin?
- Frauen äßen kontrollierter und scheinen sich offenbar bewusst häufiger für Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Vollwertkost zu entscheiden, die man als gesundheitsbewusster einstufen würde. Männer hingegen seien genussorientierter und würden mit mehr Lust essen, was sich etwa an einem Hang zu schwereren, deftigeren sowie kalorienreicheren Gerichten plus mehr Fleisch und Alkohol niederschlagen würde.
- Physiologische Gründe seien bei der Auswahl des Essens laut Setzwein nicht wesentlich entscheidender als die soziokulturelle Rolle und Bedeutung von Essen und Trinken. Dabei würden insbesondere die individuelle kulturelle Einschätzung von lecker/sittsam oder nicht (Stichwort Schweinenacken vs. Affenhirn) sowie die entsprechenden Vorstellungen von Feminität und Maskulinität eine Rolle spielen.
- Die für Frauen beziehungsweise Männer typischen Ess-Stile ergäben sich insofern als Konsequenz daraus, dass für beide unterschiedliche Körperideale und unterschiedliche Sozialisations- und Erziehungsprozesse gelten würden. In diesem Zusammenhang würden bestimmte Lebensmittel, Zubereitungsweisen und der Umgang mit Mengen als „männlich“ oder „weiblich“ eingestuft und kommuniziert – und Fleisch gilt dabei eben als „männlich“. Der Grund dafür sei oftmals primär die Idee von Macht, Stärke und Potenz. Im Hinblick auf das Fleisch sei also der „Mythos der Einverleibung animalischer Lebenskraft“ von Belang – im Gegensatz zu der deutlich geringeren Wirkung von weichen, lauen und/oder ungewürzten Speisen, die für Frauen, Kinder, Kranke oder Alte gut genug seien.
- Indes: Der männliche Geschmack unterscheide sich vom weiblichen nicht per se. Vielmehr hätten die soziokulturellen Hintergründe Auswirkungen auf die Wahrnehmung, die Beurteilung und das mit dem Essen verbundene Gefühl. Ein Grund, weshalb sich Männer eher für Fleisch- und Eiergerichte oder Bier und Frauen eher für Vegetarisches, Süßes und Salate oder Quarkvarianten entscheiden würden.
- In der Konsequenz ginge es Frauen also durchaus öfter um eine gesunde Ernährung; oftmals würden sie diese aber mit einem überdimensionierten Attraktivitätsstreben verbinden. Und dann käme es auch nicht selten zu einer Überkontrolle und zur Entwicklung von Essstörungen wie Bulimie oder Magersucht.
- Mit einem gewissen Schönheitsdruck sähen sich zwar zunehmend auch Männer (gerade jüngere) konfrontiert. Trotzdem müssten Männer im Hinblick auf körperliche Attraktivität nicht so viel leisten wie Frauen, weil sie immer noch verstärkt mit anderen Dingen wie beruflichem Erfolg, Geld, Machtpositionen und Statussymbolen punkten könnten.
Und, falls wir das selbst noch anmerken dürfen: Wenn Mann dann eben Sport macht und seine Muskeln stählt, hilft im Anschluss daran sicherlich ein großes Steak, um sich wieder frisch zu fühlen. Also, wenn das nichts für ganze Kerle ist?! Wobei das natürlich auch die Frage aufwirft, wie es mit dem vegetarischen Sex-Appeal aussieht. Etwas Stichwort „
Apfelpo & Co.“ Aber das ist dann eine Sache für einen weiteren Artikel.