Shibari ist eine traditionelle japanische Kunst des Fesselns – eine Form des Bondage, bei der nicht Schmerz oder Macht, sondern Ästhetik, Achtsamkeit und emotionale Verbindung im Vordergrund stehen. Das Wort „Shibari“ bedeutet wörtlich „binden“ oder „schnüren“ und wurde ursprünglich außerhalb erotischer Kontexte verwendet. Im Gegensatz zum westlichen (BDSM) Bondage, das oft auf Kontrolle oder Dominanz abzielt, legt Shibari den Fokus auf kunstvolle Seilführung, Vertrauen und emotionale Tiefe. Je nach gemeinsamer Absprache kann Shibari auch Teil eines SM-Vorspiels sein, bleibt aber häufig für sich eine meditative und intime Erfahrung.
Die Ursprünge und die Entwicklung des Shibaris
Shibari, auch bekannt als „japanisches Bondage“, hat seine Wurzeln in der alten Samurai-Kampfkunst Hojojutsu. Diese Technik diente ursprünglich dazu, Gefangene mit Seilen zu fesseln und dabei ihre gesellschaftliche Stellung sichtbar zu machen – oft war sie mit öffentlicher Demütigung verbunden.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus eine eigene Kunstform, die heute vor allem mit Ästhetik, Sinnlichkeit und emotionaler Intimität verbunden wird. In Japan ist auch der Begriff Kinbaku gebräuchlich, was so viel bedeutet wie „das straffe Festbinden“. Kinbaku bezeichnet traditionell eine deutlich erotischere Praxis, die sich in einer Zeit entwickelte, als Japan weitgehend isoliert vom Westen lebte.
Diese Formen des Bondage widersprachen damals schon westlichen Moralvorstellungen und wurden außerhalb Japans oft missverstanden oder tabuisiert. Entgegen vieler Mythen geht es beim heutigen Shibari jedoch nicht um Rituale, Schmerz oder Okkultes – sondern primär um lustvolle, einvernehmliche und ästhetisch geführte Fesselungen.
Welcher Reiz ist damit verbunden?
Im Zuge der globalen Vernetzung und einer immer aufgeklärteren Gesellschaft interessieren sich immer mehr Menschen für japanische Fesseltechniken. Meistens wird dieses Interesse auf verschiedene Weise genährt. Dazu gehören insbesondere
- die Freude an der künstlerischen Ästhetik,
- die sinnliche Erfahrung,
- das Zusammenwirken von vertrauen und Intimität
- und natürlich die Neugier auf neue Erfahrungen.
Wer sind die Beteiligten?
Beim Shibari gibt es im Allgemeinen zwei Hauptbeteiligte:
den Rigger und das Rope Model. Der Male / Female Rigger ist die Person, die die Fesselung durchführt und das Seil führt, während das Rope Model die gefesselte Person ist. Manche Menschen bezeichnen die gefesselte Person auch als „Rope Bunny“, was man innerhalb der Szene aber mittlerweile kritisiert. Denn diese Bezeichnung lässt an eine putzige, unterwürfige Person denken, wobei das Rope Model ja keinesfalls submissiv zu sein braucht.
Schließlich ist eine sexuell-devote Veranlagung beim Shibari nicht zwingend erforderlich, denn das sexuelle Machtgefälle ist hier kein Grundprinzip. Ein hierzulande neuerdings gebräuchlicher, genderneutraler Begriff aus dem Japanischen ist „Ukete“, was so viel wie „empfangende Hand“ bedeutet.
Welches Zubehör benötigt man für Shibari?
Das wichtigste Zubehör beim Shibari sind natürlich die
Seile. Traditionell kommen Jute- oder Hanfseile zum Einsatz, da sie eine angenehme Haptik bieten und sich gut führen lassen. Um ihre Geschmeidigkeit zu verbessern, werden sie vor der Verwendung meist gewässert und weich geknetet. Wer gerade erst anfängt, kann auch zu synthetischen Seilen greifen, die pflegeleichter und günstiger sind – jedoch oft weniger authentisch wirken.
Ferner gibt es eine Reihe weiterer Utensilien, die je nach Technik und Erfahrungsstand sinnvoll oder sogar unverzichtbar sind:
- Bambusrahmen oder Stangen dienen zur Führung des Seils und ermöglichen komplexe Spannungen sowie stabile Muster.
- Haken und Aufhängungen sind für fortgeschrittene Techniken wichtig, etwa bei Suspension-Bondage, wo der Körper teilweise oder ganz in der Luft hängt.
- Sicherheitsscheren sollten stets griffbereit sein, um Seile im Notfall schnell durchtrennen zu können – sie gelten als Standardausrüstung.
- Bodenschutzmatten oder Yogamatten sorgen für eine bequeme, rutschfeste Unterlage und erhöhen sowohl Komfort als auch Sicherheit.
- Bequeme, flexible Kleidung wie Leggings oder weite Oberteile erleichtert nicht nur das Fesseln, sondern trägt auch zur Bewegungsfreiheit bei – sofern diese gewünscht ist.
Je nach Art der Session und gewünschter Intensität kann das Zubehör variieren. Entscheidend bleibt aber: Sicherheit, Einvernehmlichkeit und Achtsamkeit stehen immer an erster Stelle.
Shibari-Techniken: Drei klassische Fesselungen im Überblick
Die japanische Fesselkunst Shibari zeichnet sich durch ihre große stilistische und technische Vielfalt aus. Dennoch gibt es einige klassische Grundtechniken, die Rigger und Rope Models iin Workshops und Kursen häufig lehren – besonders für Einsteigerinnen und Einsteiger, die erste Erfahrungen sammeln möchten. Drei besonders bekannte Techniken sind:
- Takate-Kote: Diese Oberkörperfesselung ist eine der bekanntesten Basisformen im Shibari. Dabei werden die Arme hinter dem Rücken fixiert, meist in einem rechten Winkel. Die Takate-Kote dient häufig als Ausgangspunkt für weiterführende Techniken – etwa für die Position Gyaku-Ebi, eine Variante des Hogtie.
- Agura: „Agura“ bezeichnet im Japanischen eine sitzende Haltung, die dem Schneidersitz oder Lotossitz ähnelt. In dieser Technik wird das Rope Model im Sitzen gefesselt. Sie gilt als besonders ästhetisch und komfortabel, weshalb sie auch für meditative oder ruhige Sessions geeignet ist.
- Ebi: Diese Fesselung imitiert die gekrümmte Form einer Garnele – „Ebi“ auf Japanisch. Dabei werden sowohl Hände als auch Füße auf dem Rücken fixiert. Ebi kann bodennah oder als partielle Suspension praktiziert werden und sorgt für eine intensiv gebundene Körperhaltung, die sowohl psychisch als auch physisch tief wirken kann.
Diese Techniken bilden nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was Shibari heute ausmacht – sie zeigen aber exemplarisch, wie Kunst, Technik und Körperwahrnehmung in dieser Praxis ineinandergreifen.
Wie verbreitet ist Shibari heute?
Zuverlässige Statistiken zur Verbreitung von Shibari sind derzeit kaum verfügbar. Eine repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2019 in Großbritannien ergab jedoch, dass rund 14 % der Erwachsenen ein generelles Interesse an
Fesselspiel-Praktiken bekundeten. Dabei wurden allerdings keine spezifischen Techniken unterschieden – Shibari war also nur ein möglicher Teil dieser Zahl.
Trotz fehlender Zahlen deuten zahlreiche Entwicklungen auf eine zunehmende Popularität der japanischen Fesselkunst hin: Workshops, Performances und Kurse rund um Shibari erfreuen sich in Deutschland seit Jahren wachsender Beliebtheit. Insbesondere in urbanen Zentren entstehen regelmäßig neue Szeneangebote – von Einsteiger-Seminaren bis zu professionellen Ausbildungen für Rigger.
Merke? Auch wenn exakte Zahlen fehlen, lässt sich feststellen: Shibari hat sich längst als eigenständige Ausdrucksform innerhalb der BDSM- und Fetischkultur etabliert – mit wachsender Sichtbarkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz.
<h2>Was sollte man unbedingt beim Shibari beachten?</h2>
Im Shibari gilt: Sicherheit, Vertrauen und Kommunikation stehen an erster Stelle. Alle Beteiligten sollten ihre persönlichen Grenzen, Wünsche und Tabus im Vorfeld offen besprechen – auf Augenhöhe und ohne Druck. Einvernehmlichkeit ist das Fundament jeder Session.
Um Verletzungen zu vermeiden, ist es essenziell, sich vorab mit den richtigen Techniken, Knoten und Materialien vertraut zu machen. Online finden sich zahlreiche Tutorials und Einsteiger-Videos. Doch besonders wertvoll sind fachlich fundierte Workshops, wie sie unter anderem von BDSM-Studios oder auch in ausgewählten
Swingerclubs angeboten werden. Dort kann man sich Techniken live ansehen, selbst unter Anleitung üben und dabei die eigenen Grenzen sicher ausloten.
Ebenso wichtig ist die Wahl geeigneter Seile und Hilfsmittel: Qualität, Material und Pflegehinweise sollten sorgfältig gepflegt werden. Auch hier bieten erfahrene Kursleiterinnen und -leiter hilfreiche Tipps, die im Internet oft zu kurz kommen. Denn ja, Shibari erfordert Verantwortung – aber richtig praktiziert, bietet es Raum für Intimität, Selbsterfahrung und kreative Entfaltung.