Sexpositiv ist ein Begriff, der eine offene, positive und respektvolle Einstellung gegenüber Sexualität und sexueller Vielfalt beschreibt. Diese Haltung strebt danach, Scham und Tabus zu überwinden und die sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit aller Menschen zu fördern. In der englischen Sprache kennt man den relativ neuen Begriff ebenfalls als ‚sexpositive‘.
Was bedeutet sexpositiv?
Sexpositiv zu sein bedeutet, Sexualität als natürlichen Aspekt des menschlichen Lebens zu akzeptieren und zu feiern. Es beinhaltet die Anerkennung unterschiedlicher sexueller Orientierungen, Identitäten und Präferenzen, sowie die Unterstützung von sexueller Aufklärung, Gesundheit und Rechten.
Blick in die Geschichte: Wie sexpositiv waren und sind die Menschen?
In vielen Gesellschaften wurden und werden sexpositive Einstellungen unterdrückt oder marginalisiert, insbesondere in konservativen oder religiös geprägten Umfeldern. Dennoch gab es auch historische Epochen und Kulturen, in denen eine offene und tolerante Haltung gegenüber Sexualität vorherrschte. Dies sind einige Beispiele für sexpositive Gesellschaften und für deren Gegenteil.
Sexpositive Gesellschaften
- Die antike griechische Gesellschaft: In der antiken griechischen Kultur wurde Sexualität als etwas Natürliches angesehen und in Kunst, Literatur und Philosophie offen thematisiert.
- Die Inseln Samoa: In der samoanischen Kultur gibt es eine traditionell offene und positive Einstellung gegenüber Sexualität, die von Tabus und Schamgefühlen frei ist.
Sexnegative Gesellschaften
- Die viktorianische Ära: Während der viktorianischen Ära im 19. Jahrhundert herrschten strenge Moralvorstellungen und Tabus bezüglich Sexualität, die zu einer starken Unterdrückung von sexuellen Ausdrucksformen führten.
- Mittelalterliche Gesellschaften: In vielen mittelalterlichen Gesellschaften wurde Sexualität als Sünde betrachtet und streng kontrolliert, insbesondere durch die katholische Kirche.
- Konservative islamische Gesellschaften: In einigen konservativen islamischen Gesellschaften wird Sexualität als tabuisiert angesehen und streng reglementiert, oft mit schwerwiegenden Konsequenzen für abweichendes Verhalten.
Wie steht Deutschland im europäischen Vergleich dar?
Deutschland gilt im europäischen Vergleich als vergleichsweise sexpositiv, mit fortschrittlichen Gesetzen und einer offenen Einstellung gegenüber sexueller Vielfalt. Diese Entwicklung schreitet seit Mitte der 1990er-Jahre voran. Die damals in Berlin etablierte ‚Love Parade‘ war ein Beispiel für eine friedlich-freundliche Party im XXL-Format. Viele Forschende sehen in dieser Veranstaltung eine Keimzelle für die heute in weiten Teilen tolerante und aufgeschlossene Gesellschaft. Allerdings gibt es auch hierzulande nach wie vor konservative, intolerante Kreise. Tendenziell sind die Menschen in den Metropolen offener als die Landbevölkerung. Außerdem ist der Anteil sexuell konservativer Menschen in den neuen Bundesländern höher als im Westen.
Sexpositiv = Sex?
In einer sexpositiven Gesellschaft haben die Menschen tendenziell mehr und erfüllenderen Sex. Daraus kann man allerdings keine Hypersexualisierung ableiten: Konservative und streng religiöse Kreise befürchten eine Verlotterung der Gesellschaft, die mit einer allgemeinen Kindeswohlgefährdung einherginge. Doch dies lässt sich so nicht bestätigen. Vielmehr trägt eine sexpositive Haltung zu mehr Toleranz und Gelassenheit bei – und damit zur Akzeptanz einer multikulturellen, multiethischen und sexuell vielfältigen Gesellschaft.
Doch die Grenzen sind natürlich fließend. Im Alltag kann sich das etwa in modischer Hinsicht zeigen, insbesondere bei Frauen. Minirock und High Heels beispielsweise werden von einigen Menschen als sexy wahrgenommen, andere sehen darin ein klares Zeichen von sexueller Dekadenz. Gegenseitige Rücksichtnahme ist also auch hier das A und O.
Was muss man außerdem darüber wissen?
Sexpositivität ist ein wichtiger Aspekt für die Förderung von sexueller Gesundheit, Wohlbefinden und Gleichberechtigung. Es erfordert die Anerkennung und Respektierung der sexuellen Autonomie und Entscheidungen aller Menschen, unabhängig von Geschlecht, Sexualität oder Identität. Übrigens: Immer öfter werden Partys und andere Events als
sexpositive Veranstaltungen beworben. Das bedeutet aber keineswegs, dass dort hemmungslose Orgien gefeiert werden. Stattdessen gilt das Credo: Jeder darf und soll nach seiner eigenen Façon selig werden, auch und gerade in sexueller Hinsicht.